Vorstellungsrunde bei Barcamps: Warum sie sinnvoll ist

Wofür gibt es überhaupt die Vorstellungsrunde bei einem Barcamp? Diese Frage ist mir schon öfter untergekommen. Da gehe so viel Zeit für drauf, und das ohne jeden Mehrwert. Der Zeitfaktor – ja, stimmt, der ist nicht wegzudiskutieren. Wobei die Vorstellungsrunde aufgrund der Form bei Barcamps deutlich schneller geht als anderswo. Aber bei dem fehlenden Mehrwert möchte ich doch ganz energisch widersprechen. Hier also ein kleines Plädoyer für die Vorstellungsrunde auf Barcamps.

Wie funktioniert eine Vorstellungsrunde auf einem Barcamp überhaupt?

Bei einem Barcamp stellt sich üblicherweise jede*r Teilnehmer*in mit Namen, Unternehmen und drei Hashtags, also Schlagworten, vor. Rolle des Moderators bzw. der Moderatorin: Darauf zu achten, dass dies auch tatsächlich so eingehalten wird und niemand anfängt, die komplette eigene Lebensgeschichte zu erzählen.

Als Moderatorin habe ich die Vorstellungsrunde auch manchmal leicht modifiziert. Beim Barcamp im Rahmen des Brandenburger Tourismustages 2018 waren sehr viele Leute da und die Zeit für Vorstellungsrunde und Sessionplanung recht knapp. Aus drei mach zwei – eine Reduzierung der Anzahl zu nennender Schlagworte reduzierte bei der großen Anzahl Teilnehmer*innen deutlich die benötigte Zeit.

Anders beim Thüringer Barcamp Tourismus 2019 mit Azubis und Studierenden aus dem Tourismus sowie Hotel- und Gaststättengewerbe. Hier war viel Zeit. Gleichzeitig das Ziel, die Jugendlichen etwas aus ihrer Reserve zu locken und den Rahmen für den Tag bereits zu setzen. Deshalb: Umwandlung der allgemeinen und frei wählbaren drei Schlagworte zu Antworten auf Fragen wie „Warum gerade diese Ausbildung?“ oder „Was ist dein Traumjob?“

Beim Tourismuscamp 2019 (Foto: Greg Snell)

Welchen Nutzen bringt die Vorstellungsrunde auf einem Barcamp?

1. Es gibt keine Zuschauer*innen auf einem Barcamp, alle sind Teilnehmer*innen

So lautet eine der Barcampregeln. Bereits mit der Vorstellungsrunde wird dies deutlich gemacht: Jede*r steht auf, zeigt sich, muss etwas sagen. Für einige Leute ist dies das erste Mal in ihrem Leben, dass sie etwas vor 150 Leuten sagen und alle sie dabei anschauen.

Aufgrund der Kürze der eigenen Vorstellung ist der Moment der erhaltenen Aufmerksamkeit ganz schnell wieder vorbei. Aufatmen beim Hinsetzen. Aber durch diesen kurzen Moment auch lernen: Hey, das tut eigentlich gar nicht weh.

Barcamp - leer

Barcamp: Nicht einfach nur hinsetzen

2. Menschen im Schnelldurchlauf kennenlernen

Die Vorstellungsrunde ist außerdem wichtig, damit die Leute sehen, wer eigentlich alles anwesend ist.
Person X kenne ich nur vom Namen her oder aus den Social-Media-Kanälen, habe ich aber noch nie persönlich gesprochen. Plötzlich bekommt sie ein Gesicht, eine Stimme.
Person Y interessiert sich für Thema ABC. Cool, mit dieser Person sollte ich mich auf jeden Fall mal austauschen.
Ergänzend liefert die Vorstellungsrunde auch mir als Moderatorin noch ein deutlich besseres Gespür für die Runde.

Beim Thüringer Barcamp Tourismus zeigte die Vorstellungsrunde gleichzeitig, wie breitgefächert der touristische Sektor eigentlich ist. Und wie engagiert die Jugendlichen sind: nicht wenige gaben als Traumjob an, ein eigenes Restaurant besitzen oder ein Hotel managen zu wollen.

Barcamp - Wer ist das eigentlich?

Barcamp: Wer ist das eigentlich? (Foto vom Tourismuscamp Niederrhein)

3. Über mögliche angebotene Sessions entscheiden

Oft entscheide ich als Barcampbesucherin basierend auf der Vorstellungsrunde, ob ich eine Session anbiete und welche. Manchmal habe ich vorher ein Sessionthema im Hinterkopf, stelle dann jedoch in der Vorstellungsrunde fest, dass dieses nicht passt. Weil auf Selbstständige zugeschnitten und nur Angestellte anwesend sind. Weil auf Tourismus zugeschnitten und nur Nicht-Touristiker*innen anwesend sind. Oder weil das Thema schlicht und einfach nicht passt.

4. Zuhören lohnt sich

Manche Schlagworte kommen auf einem Barcamp nahezu immer: #Kaffee. #Müde. Sobald jemand den eigenen Lieblingsfußballverein genannt hat, folgen schnell weitere. Manchmal bilden die genannten Hashtags die gesellschaftliche Lage ab: #Wirsindmehr, #FridaysforFuture oder beim Thüringer Barcamp Tourismus kurz vor der Europawahl #GehtwählenLeute. Mancher genannte Hashtag bezieht sich auf einen der vorher genannten. Mancher ist überraschend kreativ. Mancher extrem witzig. Es lohnt sich also hinzuhören. Denn die Vorstellungsrunde ist nicht nur informativ, sondern kann teilweise auch wirklich gut unterhalten.

 

Rahmenbedingungen müssen stimmen

Klar ist, dass die Rahmenbedingungen stimmen müssen, damit die obigen Punkte funktionieren:

  • Jede*r kann bei der Vorstellungsrunde auch tatsächlich jede*n hören.
    Bei Tourismuszukunft nutzen wir hierfür meist unser sogenanntes Wurfmikro, was – abgesehen von seiner Wurftauglichkeit – den Teilnehmer*innen weniger Respekt einflößt als ein „echtes“ Mikrofon.
  • Jede*r kann bei der Vorstellungsrunde auch tatsächlich jede*n sehen.
    Wenn alle sitzen und die sich Vorstellenden aufstehen, funktioniert das schon mal ganz gut. Wenn alle stehen, braucht es genügend freien Raum in der Mitte.
  • Wichtig: die Moderatorin bzw. der Moderator.
    Mehrere kleine Aufgaben liegen hier: Der Hinweis, das Mikrofon näher an den Mund zu führen, damit die anderen überhaupt etwas verstehen. Den Überblick behalten, dass auch tatsächlich alle dran waren. Das Beschränken von ausufernden Vorstellungen.

 

Du siehst: Ich mag die Vorstellungsrunde bei einem Barcamp. Ein Freund von mir geht übrigens immer erst nach dieser zu Barcamps. Ich finde ja, ihm entgeht dadurch etwas. Wie siehst du das – was magst du (nicht) an den Barcamp-Vorstellungsrunden?

 

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Ich unterstütze touristische Unternehmen bei ihrer Strategie, v.a. in Bezug auf Stakeholder-Management, Zielgruppen und Produkt-Entwicklung. Auf diesem Blog schreibe ich darüber sowie über meine Herzensthemen Barcamps und das Bloggen an sich. Mehr gibt es bei „Über mich“. Du kannst mich übrigens auch buchen. Ich bin Beraterin und Netzwerkpartnerin bei Tourismuszukunft. Infos sowie Kontaktdaten: Kontakt.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Man könnte das auch so modifizieren das nur die Leute sich vorstellen die eine Frage stellen wollen hinterher. So muss keiner was sagen der nur zu sehen will!

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