Reiseblogger & Journalisten: Ralf von boardingcompleted.me

Blogger Relations: Blogger & Journalisten: Ralf Johnen - Boardingcompleted

Meine Serie Reiseblogger & Journalisten geht heute zu Ende. Wie vor einiger Zeit versprochen, gibt es noch einen männlichen Vertreter dieser Spezies! Ralf von boardingcompleted.me setzte gemeinsam mit Claudia den Grundstein für diese Serie. Sein Blog gehört für mich zu jenen, die durch eine große sprachliche Vielfalt auffallen. Und nicht nur im Blog überzeugt er mit seinen Worten. Auch im Interview bringt Ralf sehr klare Worte.

Ralf Johnen von Boardingcompleted.me (Foto: Andreas Helfer)

Ralf Johnen von Boardingcompleted.me (Foto: Andreas Helfer)

Hallo Ralf, stell dich einmal kurz vor: wer bist du eigentlich und wo kommst du her?

Halb Holländer, halb Deutscher, bin ich im Rheinland aufgewachsen. Viel und gerne gelesen habe ich immer, daher war es naheligend, ein nicht weniger begeisterter Schreiber zu werden. Das mache ich seit 2000 als eine Art Universalersatzexperte und Freizeitfeuilletonist für den Kölner Stadt-Anzeiger – und für eine Reihe anderer Printmedien.

Einen Großteil meiner Erträge investiere ich seit langem in Reisen. So konnte es nicht lange ausbleiben, bis ich auch hierüber zu schreiben begonnen habe. Weil mich die negative Grundstimmung in den deutschen Medienhäusern zunehmend zermürbt und ich mir obendrauf eine mittelschwere Internetsucht attestiere, hat sich der nächste Schritt von selbst aufgedrängt. Das Resultat heißt boardingcompleted.me – mein Reiseblog.

 

Du kommst also definitiv aus der Journalistensparte. Siehst du dich selbst damit eher als Journalist oder als Reiseblogger?

Rein handwerklich sehe ich nicht, wieso ich zwischen beidem grundsätzlich unterscheiden müsste. Sowohl als Journalist wie auch als Blogger schreibe ich Texte, fotografiere und gestalte Seiten. Aber die aktuelle Debatte wird ja nicht umsonst geführt.

Daher lautet mein Beitrag: Es kann keinem Blogger schaden, nach journalistischen Prinzipien zu arbeiten. Doch ein Journalist kann sehr davon profitieren, das Handwerk des Bloggers zu beherrschen. Gerade bei Reisegeschichten sind die Möglichkeiten für den Blogger deutlich komfortabler. Als solcher kann ich viele Bilder zeigen, Links erstellen und aktuell sein. Ich habe keine Zweifel, dass hier die Zukunft liegt.

In den Printmedien hingegen werden immer Pressemitteilungen abgedruckt und Geschichten „kalt geschrieben“. So schaffen sie sich selbst ab. Leider.

 

Gibt es Unterschiede darin, wie du eine Journalisten- bzw. eine Bloggerreise planst und organisierst bzw. welche Informationen du dir vor Ort notierst?

Definitiv gibt es Unterschiede – obwohl ich immer beide Kanäle nutze, wenn ich eine Reise antrete. Meine Print-Geschichten schreibe ich häufig für die Nachrichtenagentur dapd, wo ich einen Überblick über eine Destination zu versuchen gebe. Was links und rechts liegen bleibt, verwende ich für den Blog: Kuriositäten, Hotels, Restaurants, das Nachtleben vor Ort. Die Menschen. Die Auswahl ergibt sich meist von selbst – ebenso wie Notizen, Fotos etc.

Dankbar bin ich immer dann, wenn eine Reise tatsächlich Spielraum für die Recherche von Geschichten bietet und nicht nur die Interessen von Marketingleuten abdeckt. Diesbezüglich ist die Gefahr von Missverständnissen viel größer als die Kluft zwischen Print-Geschichte und Blog-Story.

 

Gibt es Unterschiede darin, wie du einen Artikel für ein Printmedium bzw. für dein eigenes Blog schreibst?

Ja und nein. Egal was ich schreibe: Ich habe ein privates Verzeichnis von Wörtern und Redewendungen, deren Verwendung ich mir untersage. „Malerisch.“ „Idyllisch.“ „Venedig des Nordens.“ Und so weiter. Aber für einen Print-Kunden bin ich immer darum bemüht, leserdienlich zu schreiben. Als Blogger nehme ich mir auch schon mal die Freiheit, meine Sicht der Dinge in den Vordergrund zu stellen – was nicht selten viel Spaß macht.

 

Dieses private Verzeichnis von Wörtern und Redewendungen wäre auch mal einen schönen Beitrag wert ;) Aber zurück zum Blog. Mit einem Printartikel erreichst du (momentan noch) mehr Leser – ist das so? – , im Blog und den sozialen Netzwerken gibt es demgegenüber direktes Feedback auf deine Artikel – was ist dir wichtiger?

Das stimmt nur bedingt. Wenn ich einen Zeitungsartikel schreibe, in dem ich jemanden kritisiere oder angreife, klingelt das Telefon durchaus oft. Bei Reisegeschichten kommt das natürlich so gut wie nie vor, da kann ein Text noch so oft gedruckt werden. Resonanz auf meine Texte halte ich immer für eine Bereicherung. Und es ist durchaus schön, sich mit den Lesern auszutauschen.

 

Was können deiner Meinung nach die „klassischen“ Journalisten von den „klassischen“ Reisebloggern lernen – und umgekehrt?

Das ist schwer zu pauschalisieren. Ich denke nicht, dass die „klassischen“ Journalisten viel von den Bloggern lernen wollen, weil unter den allermeisten eine Grundskepsis gegenüber dem Netz im Allgemeinen und Blogs im Speziellen herrscht, die von Verlustängsten genährt werden. Dabei liegen die Vorteile von Blogs auf der Hand: Der Autor ist unabhängig, er kann umfangreich und bei geeignetem Fotomaterial auch sehr anschaulich berichten. Mit Geschick und Einsatz kann er ein sein eigenes Unternehmen aufziehen.

Diese Aufbruchstimmung wirkt sich auch auf das Sozialverhalten aus: Blogger helfen einander und sehen sich nicht als Konkurrenz. Als hauptberuflicher Journalist, der in einem schrumpfendem Markt arbeitet, empfinde ich das als ausgesprochen angenehm.

 

Möchtest du von touristischen Anbietern wie Regionen, Attraktionen oder auch Agenturen lieber als Journalist oder als Reiseblogger wahrgenommen und angesprochen/eingeladen werden?

Das ist nicht so wichtig, da ich versuche, beides miteinander zu verknüpfen. Mir kommt es darauf an, mit Touristikern zusammenzuarbeiten, die ein Gespür für gute Geschichte haben. Weder Journalisten noch Blogger wissen viel mit Dorfmuseen, Bürgermeistertreffen, Kettenrestaurants, Flughafenhotels oder Zahlenlawinen anzufangen. Obwohl das offensichtlich sein sollte, ist man als als Autor nicht immer davor gefeit. Dann wird es mühselig. Und ich bekomme Heimweh.

 

Für welche Art von Kooperationen stehst du für touristische Unternehmen zur Verfügung – für welche nicht?

Ich berichte in der Regel über Destinationen, wenn die Geschichte stimmt auch über Hotels, Restaurants oder Attraktionen. Vor deutlich gekennzeichneten Advertorials mit eigenverantwortlich formulierten Texten habe ich keine Scheu – ebensowenig wie vor Kooperationsprogrammen mit Touristikern. Und wenn ein Unternehmen meinen Blog sponsern will – gerne. Alles andere lehne ich ab: Content gegen Verlinkung oder Pressemitteilungen wird es bei mir nicht geben.

 

Auch an dich, Ralf, herzlichen Dank für dieses Interview!

 

Mehr von Ralf gibt es hier zu lesen:

 

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Ich unterstütze touristische Unternehmen bei ihrer Strategie, v.a. in Bezug auf Stakeholder-Management, Zielgruppen und Produkt-Entwicklung. Auf diesem Blog schreibe ich darüber sowie über meine Herzensthemen Barcamps und das Bloggen an sich. Mehr gibt es bei „Über mich“. Du kannst mich übrigens auch buchen. Ich bin Beraterin und Netzwerkpartnerin bei Tourismuszukunft. Infos sowie Kontaktdaten: Kontakt.

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Wieder ein schönes Interwiev. Danke Kristine und danke auch Ralf.
    Das private Verzeichnis von Wörtern und Redewendungen interessiert mich ja nun auch mal. Kristine & Ralf, schreibt doch einen Beitrag dazu, bitte :)

    LG Christina

  2. @Christina, Monika & Janett: Für diese Liste müsstet ihr euch wohl an Ralf wenden. Alternativ: einfach Tourismusbroschüren zur Hand nehmen. Fast jedes dritte Adjektiv gehörte dann an sich auf eine solche Liste (Wir Marketingleute dürfen das…).

    Ich werfe für die Liste auf jeden Fall noch „pittoresk“ mit in den Ring.

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