Touristische Marketingorganisationen entdecken verstärkt die Macht von Blogs. Und alle stürzen sie sich auf die Reiseblogs. Ist dies so sinnvoll? Auf den ersten Blick ja. Es geht schließlich um das Thema Reisen, also sind Reiseblogs die ideale Plattform.
Doch das ist etwas zu kurz gesprungen. Schauen wir einmal auf den Printbereich: Anzeigen werden dort nicht nur in Reisemagazinen platziert, sondern ebenso in regionalen oder Special Interest Medien, jeweils thematisch oder zielgruppenspezifisch selektiert.
Warum nicht auch bei Blogs in Richtung von regional und Special Interest denken? Nachfolgend ein paar Ansätze zum breiter gedachten Thema Bloggerrelations.
Reiseblogger als Reise-Blogger – genügt das?
Reiseblogger sind selbstverständlich eine gute Wahl, seine eigene Region als Reiseziel zu präsentieren. Ein wichtiges Auswahlkriterium für die Kooperation mit Blogs sollte dabei sein, ob diese inhaltlich überhaupt zur gewünschten Profilierung passen:
- Interessiert sich der Blogger (und damit auch seine Leser) überhaupt für die zu vermarktende Region? (Fernreisender vs. Heimatblogger)
- Interessiert sich der Blogger überhaupt für die Reisethemen, welche die Region für sich besetzen möchte? (Backpacker vs. Luxussegment)
Sollte eine Region nicht zu einem Blogger passen, wird dieser – mit ziemlicher Sicherheit – eine Kooperationsanfrage von sich aus sowieso ablehnen. Idealerweise sollte man ihn hierzu vorher jedoch gar nicht erst anfragen…
Gut selektierte Reiseblogger sind also schon einmal besser als unpassende Reiseblogger. Doch Reiseblogger befinden sich zum Teil auch in einer „Reiseblogger-Blase“. Reiseblogger lesen Reiseblogger, die Reiseblogger empfehlen, welche Reiseblogger lesen… Warum deshalb die Auswahlkriterien nicht einfach etwas breiter, und dennoch spezifisch fassen? So bietet es sich an, mit thematisch passenden Blogs – nicht nur aus der Reisebloggerbranche – Kontakt aufzunehmen.
Blogvielfalt für touristische Themen
An einem Beispiel lässt sich vieles ja immer einfacher erklären. Deshalb einmal angenommen, das Thema „Natur“ steht im gesamten Marketing der Destination zentral. Wobei ich bei „Natur“ gerade einen richtig schönen Wald vor meinem inneren Auge sehe. Wie wäre es dann – neben den Reisebloggern – noch mit folgenden Blogtypen:
- Outdoorblog: Deutlich aktiver als ein Reiseblogger ist der Outdoorblogger unterwegs. Wander- oder Radtouren, die eine gewisse Herausforderung darstellen, sind für ihn ideal.
- Geocachblog: Verschiedene Geocaches sind bei euch versteckt? Und das mitten in der Natur? Wunderbar für Geocacher.
- Radblog: Wer mit dem Mountainbike eine Region erkunden möchte, braucht das entsprechende Bike. Warum nicht mit einem Radblog gemeinsam verschiedene Bikes in genau eurer Region testen – und dabei direkt zeigen, wie perfekt ihr euch fürs Mountainbiken eignet?
- Wanderblog: Wer als echter Wanderer und nicht nur als Flachlandtiroler unterwegs ist, benötigt entsprechende Ausrüstung. Auch diese kann in eurer Region getestet und vorgestellt werden.
- Autoblog: Okay, Natur und Auto scheinen sich auf den ersten Blick auszuschließen. Aber ist die Natur nicht auch die perfekte Kulisse für eine kleine Rundfahrt übers Land?
- Bahnblog: Ja, auch die Bahn hat Fans. Und einige von denen bloggen sogar. Zeigt diesen Bloggern, wie schnell und unproblematisch sie mit den Öffentlichen direkt in eurem Wald landen. Vielleicht sogar inklusive der Möglichkeit, ihr Fahrrad mitzunehmen oder Gepäck transportieren zu lassen. Es gibt sogar eine Schmalspurbahn? Ideal!
- Foodblog: Die Natur schafft die besten Grundlagen für unser Essen. Lasst Foodblogger bei der Produktion von Lebensmitteln vor Ort zuschauen und diese natürlich ebenso kosten. Mitten im Weinberg oder direkt auf dem Bauernhof.
- Mommyblog: Bloggende Mütter haben Kinder. Klar. Und diese sollten an die frische Luft. Zeit, ihnen zu zeigen, was man in der Natur so erleben kann. Vielleicht gemeinsam mit dem Förster?
- Zooblog: Ein Tierpark nach dem anderen wird in diesen Blogs vorgestellt. Wie wäre es mit einer Tour durch den Wald, bei welcher gemeinsam die Tiere in freier Natur entdeckt werden? Vielleicht in der Dämmerung und mit einem Fernglas ausgerüstet?
- Literaturblog: Hat die herrliche Natur in eurer Region sogar schon Dichter oder Romanschreiber inspiriert? Lasst Blogger die Settings dieser Werke besuchen oder auf den Spuren des Künstlers wandeln.
- Musikblog: Musikalische Werke sind sicherlich weniger präsent als literarische Werke. Doch auch um diese kann man Geschichten bauen (ich habe hier gerade ständig „Westerland“ von den Ärzten im Hinterkopf… – zwar absolut unpassend zum Thema „Wald“, aber you know what I mean…).
- Heimatblog: Was gibt es in der eigenen Region zu erleben? Leider wird oft noch komplett zu wenig beachtet, hier Kooperationen einzugehen (sowohl von touristischer als auch von Bloggerseite aus).
- Fotoblog: Die Natur liefert immer noch die besten Motive. Zeigt den Bloggern die besten Orte und Zeiten zum Fotografieren.
- Marketingblog: Ihr habt neue Kooperationen mit verschiedenen Spielern in eurer Region zum Thema Natur gestartet? Ein neues Wegeleitsystem entwickelt? Einen Kinderwanderweg im Wald angelegt? Das könnte für den Marketingblogger interessant sein.
- Fashionblog: Welche Kleidung ist für einen Ausflug in die Natur zu empfehlen – und sieht dabei auch noch cool aus?
- Appblog: Ständig werden neue Apps vorgestellt. Was haltet ihr davon, einige neue bei euch im Wald auszuprobieren? Zum Beispiel Navigationsapps, Apps zum bestimmen von Baumarten und Vogelstimmen, …
- Blogthema egal: An sich kann das Haupt-Blogthema auch egal sein, solange die Zielgruppe stimmt. Wollt ihr euch als familienfreundliche Region präsentieren und der Design oder Autoblogger hat jede Menge Social-Media-Freunde mit Familie? Auch hier liegen Möglichkeiten, wenn auch weniger auf den ersten Blick erkennbar.
- …
Ich glaube, das Prinzip ist verstanden, oder?
Ihr meint, Natur ist ein zu einfaches Beispiel? Okay, ich gebe zu, dass dieses Thema mir spontan tatsächlich die breiteste Palette an Ideen lieferte. Probieren wir das gleiche Prinzip deshalb beim Thema „Profilierung als Angelregion“ (wobei ich dazu sagen muss, dass ich vom Angeln tatsächlich so überhaupt gar keine Ahnung habe…).
Profilierung als Angelregion
Jedes auf den ersten Blick noch so abwegige Thema kann auf obige Art und Weise auf unterschiedlichste Themeneinstiege heruntergebrochen werden:
- Reiseblog: Angeln als ein Unterthema, die Destination zu besuchen. Mal was anderes beim Ausflug bzw. im Urlaub erleben. Stichwort: „Mein erstes Mal einen Fisch gefangen.“
- Angelblog: Braucht man nichts weiter zu zu sagen, oder?
- Foodblog: Wo kommt der Fisch auf dem Teller eigentlich her? Und klar: hinterher muss natürlich auch probiert werden.
- Techblog: Ihr setzt spezielle Apps, GPS o.ä. ein, um den Fisch zu orten (gibt es das eigentlich beim Angeln, oder nur bei der Hochseefischerei? Keine Ahnung, ehrlich gesagt…)? Könnte interessant für die Techblogs sein.
- Mommyblog: Auf in die Natur mit Kind und Kegel und gemeinsame Abenteuer erleben. Zum Beispiel eben beim Angeln.
- Männerblog: Neue Herausforderungen gewünscht? Dann lasst die Männer mal zeigen, was sie so können. Wer bekommt den größten Fisch an den Haken?
- Outdoorblog: Einfach mal etwas Neues im Outdoorbereich ausprobieren, statt immer nur zu Wandern? Vielleicht ja zum Beispiel Angeln?
- Heimatblog: Wer weiß schon, dass er in seiner Region angeln kann? Vielleicht einfach einmal ausprobieren lassen.
- Fotoblog: Warum nicht mit Fotobloggern zum Angeln gehen? Nicht, dass diese selbst angeln sollen, aber fotografieren können sie ja.
- …
Und sonst so
Einfach noch ein paar spontane Ideen zu anderen Themenfeldern:
- Für das Thema Kultur kann neben Blogs über Museen vor allem auch in Richtung von Blogs von Kommunikations-/ Geisteswissenschaftlern geschaut werden.
- Für Design spielen neben Living-Blogs auch Architektur- und Fotoblogs eine große Rolle.
- Kulinarisch kann neben dem Thema Kochen auch in Richtung Nachhaltigkeit interpretiert werden.
Und warum das Ganze?
Das Thema wird entsprechend der jeweiligen Zielgruppe aufbereitet. Es geht dabei eben gerade nicht in erster Linie um das Reisen, sondern erst in zweiter Instanz. Zentral steht stattdessen, das Interesse der Zielgruppe zu wecken (Die Mutter, die mit ihrem Kind etwas erleben möchte. Der Abenteurer, der neue Herausforderungen sucht.). Dieses Interesse wird dann mit der Region verknüpft und weckt hierdurch konkrete Reisebedürfnisse.
Also nicht:
Besuchen Sie uns, weil es hier so schön ist.
Sondern stattdessen:
Sie interessieren sich für XY? Haben wir. Deshalb: besuchen Sie uns.
Der Vorteil liegt somit auf der Hand: eine breitere thematische Ausrichtung sorgt für eine breitere Wahrnehmung des Themas. Außerdem sorgt dies für eine größere Nettoreichweite, da die Leser der verschiedenen Themenblogs weniger deckungsgleich sind als die Leser der Blogs eines einzigen Themas.
Das Problem
Für touristische Organisationen fragt bereits das Eintauchen in die Reisebloggersphäre jede Menge Zeit. Sich gleichzeitig noch mit allen möglichen anderen Themen beschäftigen, Blogger beobachten und mit ihnen interagieren? Ein Dinge der Unmöglichkeit. Und damit die perfekte Lücke für Agenturen, die als Mittler zwischen Blogger und Tourismusorganisation auftreten. Wer sich hier breiter aufstellt als die Konkurrenz, hat ein deutliches Ass im Ärmel.