Strategie & Umsetzung im Tourismus

Menschen fotografieren – darf man das überhaupt?

Social Media: Menschen fotografieren - darf man das eigentlich?

Vor kurzem habe ich Karin von Bonngehtessen.de befragt, ob und wie man eigentlich Essen im Restaurant fotografieren darf. Daraus entstand die Frage: Wie steht es mit dem Fotografieren von Menschen? Sicherlich deutlich komplizierter. Deshalb habe ich Maike Grunwald hierzu befragt.

Maike ist als freie Journalistin und Redakteurin tätig und hat somit viel Erfahrung im Medienrecht. Außerdem betreibt sie das Reisetageblog. Dort berichtet sie seit 2010 aus einem persönlichen Blickwinkel über ihre beruflichen und privaten Reisen, garniert mit Bildern aus aller Welt zu tagesaktuellen Themen (z.B. Weltdufttag, Weltkatzentag).

Warum Maike für mich die perfekte Gesprächspartnerin zum Thema „Menschen fotografieren“ ist? Weil sie sich stark mit dem Thema Medienrecht auseinandersetzt:

Wie jedes Blog in Deutschland fällt auch meines in den Regelungsbereich des Telemediengesetzes. Medienrecht ist ein sehr komplexes Feld, das mich als Journalistin seit rund 20 Jahren begleitet. Während meiner fast 10-jährigen Tätigkeit für das Peoplemagazin BUNTE.de war es besonders wichtig, sich im Persönlichkeitsrecht gut auszukennen. Da es beim Presserecht ständig Veränderungen und neue Urteile gibt, lerne ich bei jeder Weiterbildung dazu. Zu meinen Reisereportagen (www.maikegrunwald.com) liefere ich eigene Fotos, muss mich also auch bei Bildrechten gut auskennen. Als Bloggerin profitiere ich von diesem Wissen und gebe es gerne weiter. Denn gerade im Bereich Urheber- und Persönlichkeitsrecht kann Unkenntnis für Blogger teuer werden.

Maike Grunwald vom Reisetageblog.de. Foto: www.MaikeGrunwald.com

Interview mit Maike

Liebe Maike, mit Personen auf einem Foto wird jedes Motiv tatsächlich menschlicher. Wie sieht das aber aus: darf man einfach jeden Menschen auf der Straße einfach so fotografieren?

Nein – nicht, wenn man die Person erkennen kann. Man muss immer um Erlaubnis fragen, rechtlich gesehen sogar BEVOR man das Foto macht. Denn jeder Mensch hat das „Recht am eigenen Bild“ oder „Bildrecht“, ein Persönlichkeitsrecht und Grundrecht: das Recht, selbst zu bestimmen, ob und wie ein Bild, auf dem er zu erkennen ist, veröffentlich wird. „Erkennen“ ist dabei sehr weit gefasst: So dürfen auch Jugendfotos oder Bilder, auf denen z.B. die Augen durch eine Hutkrempe etc. verdeckt sind, nur mit Einwilligung der betroffenen Person veröffentlicht werden. Es gibt Ausnahmen, die allerdings nicht immer eindeutig sind und im Streitfall individuell entschieden werden. Das ganze Thema ist hochkomplex, gerade bei Veröffentlichungen im Internet, weil diese dann weltweit zu sehen sind.

 

Welches sind diese Ausnahmen, sprich: Welche Fotos mit Personen dürfen veröffentlicht werden, ohne dass man vorher ihre Einwilligung einholen muss?

Fotos von Personen der Zeitgeschichte (Politiker, Prominente), wenn diese öffentlich auftreten, sind in der Regel unproblematisch. Außerdem Fotos von Landschaften oder Sehenswürdigkeiten, auf denen Menschen nur als „Beiwerk“ zu sehen sind. „Beiwerk“ heißt: Die Person ist zufällig drauf und unwichtig, ohne sie wären Motiv und Aussage des Fotos gleich. Zum Beispiel wird es sich vor dem Kölner Dom nicht vermeiden lassen, dass einige Touristen mit auf dem Foto sind, die man auch erkennen kann.

Einwilligung nicht notwendig. Die Person ist nicht zu erkennen. Außerdem kann sie als zufälliges „Beiwerk“ interpretiert werden. (Foto: © Maike Grunwald)

Hartnäckig hät sich der Mythos, dass Gruppenbilder unproblematisch sind – das stimmt aber nicht, theoretisch muss jeder einzelne seine Erlaubnis geben. Bilder von Versammlungen, Großveranstaltungen wie Karneval, Konzerten etc. dürfen allerdings veröffentlicht werden, wenn die Veranstaltung im Vordergrund steht und kein Einzelner hervorgehoben wird.

 

Darf man solche Fotos dann in jedem Fall veröffentlichen?

Auch bei diesen Bildern gilt der Grundsatz: Wenn ein „berechtigtes Interesse des Abgebildeten“ verletzt wird, ist eine Veröffentlichung auf keinen Fall erlaubt. Tabu sind z.B. Fotos, die Menschen in einer peinlichen Situation zeigen (z.B. betrunken) oder ihre Privat- oder Intimsphäre verletzen. Und eine Veröffentlichung für Werbezwecke ist ohne Extra-Einwilligung sowieso in keinem Fall erlaubt. Außerdem ist bei Menschen zu beachten, dass eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts auch bei an sich harmlosen Bildern durch den Kontext entstehen kann (zum Beispiel, wenn das Foto einen Post mit dem Titel „Rechtsradikale Mörder, die flauschige Tiere hassen“ illustriert).

 

Beim Thema Fotos vom Essen hatten wir hier bereits das Thema „Fotografieren darf, veröffentlichen nicht.“ Wie ist das mit Fotos von Menschen?

Anders als bei Fotos von Essen :-) Auch, wenn man Fotos von einzelnen Personen „ohne Veröffentlichungsabsicht“ macht, müssen deren Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben. Vereinfacht gesagt: In der Regel ist es in Deutschland nicht erlaubt, Fotos von erkennbaren Personen ohne deren vorheriger Einwilligung zu machen. Denn der Fotografierte muss ja mit dem Wissen leben, dass jemand anderes sein Bild hat und dieses vielleicht auch unerlaubt veröffentlicht. Die Einwilligung zum Fotografiertwerden kann auch stillschweigend erfolgen, z.B. durch Posieren und Lächeln in die Kamera. Die gilt dann aber nicht automatisch auch fürs Veröffentlichen.

 

Einwilligung notwenig: Zwar geht es im Bild um die Veranstaltung, allerdings sind einzelne Personen hervorgehoben bzw. sogar porträtiert. (Foto: © Maike Grunwald)

Gibt es Unterschiede zwischen der Veröffentlichung von Personenfotos im eigenen Blog, auf Fotoplattformen oder in weiteren sozialen Netzwerken wie Facebook, Google+, Twitter?

Nein, solange das Foto nicht werblich genutzt wird. Wichtig ist aber zu wissen, dass die Einwilligung der fotografierten Person für eine Veröffentlichung kein genereller Freibrief für alle Medien ist. Wenn ich z.B. frage, ob ich das Bild auf meinem Blog veröffentlichen darf, gilt die Erlaubnis auch nur für mein Blog. Denn das Recht am eigenen Bild heißt auch, dass jeder Mensch bestimmen darf, WO sein Bild erscheint.

 

Fotos und Videos – gleiches Prinzip oder gibt es Unterschiede?

Gleiches Prinzip: Wenn die Person erkennbar ist, ist es ein „Bildnis“. Sogar Zeichnungen können unter Umständen Persönlichkeitsrechte verletzen.

 

Zwischen Erwachsenen, die für sich selbst entscheiden können, und Kindern gibt es bei diesem Thema sicherlich Unterschiede. Worauf ist beim Fotografieren von Kindern zu achten?

Wenn man Kinder fotografiert und die Bilder veröffentlichen will, braucht man die Einwilligung der Eltern bzw. deren Vertreter. Bei Minderjährigen, die schon selbst Entscheidungen bewusst treffen können, sollte auch das Kind selbst einer Veröffentlichung einwilligen. Unabhängig von der juristischen Seite sollte man sich immer fragen, ob es moralisch okay ist, das Foto zu veröffentlichen. Ich bin da lieber über-vorsichtig, denn Kinder brauchen besonderen Schutz. Nach meinen Vorstellungen ist es z.B. nicht okay, süße Kinder aus Asien oder Afrika quasi als unbezahlte Models auszunutzen, um die Klickzahlen eines Blogs zu erhöhen.

 

Gelten all diese Regeln nur für Deutschland, oder greifen diese genauso, wenn ich in Thailand, Namibia oder New York Personen fotografiere?

Die Rechtslage ist überall unterschiedlich. In manchen Ländern wie den USA sind die Persönlichkeitrechte lockerer gefasst, Menschen dürfen einfach so fotografiert werden. Anderswo gibt es strikte Regeln.

Die Wachen vorm Buckingham Palace in London sind ein beliebtes Fotomotiv. In anderen Ländern kann das Fotografieren von Menschen in interessanten Uniformen sehr üble Konsequenzen haben. In manchen Kulturen glaubt man, dass es unschicklich ist oder Unglück bringt, fotografiert zu werden, sogar, dass die Seele gestohlen wird. Verschleierte Frauen und betende Menschen sollte man auch nicht einfach so fotografieren. Es ist wichtig, sich vor einer Foto-Reise nicht nur über die Gesetze, sondern auch über die Gepflogenheiten vor Ort zu informieren. Denn es ist nicht nur moralisch bedenklich, Menschen im Ausland wie exotische Tiere mit der Kamera „abzuschießen“. Es kann auch teuer werden. Der ungewollt Fotografierte kann auch in seinem Land Klage erheben. Dann muss der, der das Foto gemacht hat, schlimmstenfalls auch noch Reisekosten bezahlen, weil er zum Gerichtstermin erscheinen muss.

 

Kurz und knapp dein Tipp: Wie gehe ich am besten vor, wenn ich andere Personen für mein Blog fotografieren möchte?

Rechtsberatung kann ich nicht geben, nur erzählen, wie ich in der Praxis handele: Ich gehe auf Nummer sicher und frage vor dem Fotografieren. Das gibt oft auch bessere Fotos, wenn man charmant mit den Leuten umgeht, und macht Spaß. Wenn sich ein toller „Schnappschuss“ ergibt, mache ich den unter bestimmten Umständen auch mal schnell und frage hinterher, auch wenn ich rechtlich gesehen vorher fragen müsste. Dann zeige ich der Person das Foto auf dem Display, frage, ob ich es veröffentlichen darf, und gebe ihnen eine Visitenkarte mit Blogadresse. Oder ich lösche es vor ihren Augen. Bei Kindern besser über-vorsichtig sein und die Einwilligung der Eltern schriftlich geben lassen. Denn die Beweispflicht liegt immer beim Fotografen, und eine Abmahnung kann teuer werden.

 

Und wenn ich in einem Land bin, in dem ich mich sprachlich nicht verständigen kann?

Gerade in solchen Ländern zeige ich VOR dem Fotografieren auf die Kamera, frage lächelnd „okay?“ und warte auf die Reaktion. Manche wollen als „Model“ bezahlt werden, andere werden böse, meistens freuen sie sich – alles interessante Erfahrungen.

Ich frage auch um Erlaubnis der Veröffentlichung, indem ich auf das Bild zeige, dann auf die Blogadresse auf der Visitenkarte, und internationale Sachen sage wie „Blog okay? Internet okay?“. Oder ich bitte den Reiseführer etc. um Übersetzungshilfe. Toller Nebeneffekt, egal in welchem Land: Man kommt ins Gespräch, zur Not mit Händen und Füßen, manchmal lernt man sich richtig kennen. Dann hat man mehr als ein schönes Foto und ein gutes Gefühl: eine echte Begegnung. Und manchmal eine neue Internet-Freundschaft, die Jahre später noch lebendig ist.

 

Vielen Dank, Maike, für deine hilfreichen Tipps und Hinweise!

 

Mehr zu Maike & ihrem Reisetageblog

Den Reisen von Maike kannst du auf ihrem Blog www.Reisetageblog.de folgen, sowie ebenso via FacebookTwitter, Google+.

Mehr zur Autorin und Journalistin Maike Grunwald gibt es auf ihrer Website MaikeGrunwald.com zu entdecken.

 

Bitte beachte: dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und kann eine umfangreiche rechtliche Beratung nicht ersetzen.

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