Blogger & Marketing: Günter von TravelLive

Meine Reihe Blogger & Marketing wendet sich langsam dem Ende zu. Nicht aber, bevor ich euch Günter aus Österreich vorgestellt habe. Wer mir auf den verschiedenen Social Media Kanälen folgt, kennt ihn sicherlich bereits. Alle anderen sollten ihn unbedingt kennen lernen. Denn Günter Exel ist bereits seit langem mit der Tourismusbranche und Social Media verbunden. Wer sich über 20 Jahre in der Kommunikationsbranche halten kann, hat einige Erfahrungen gemacht. Einige davon teilt Günter im folgenden Interview.

Günter Exel von TravelLive.cc

Günter Exel von TravelLive.cc

Lieber Günter, es geht hier um Reiseblogger und Marketing. Kannst du dich selbst kurz vor- und deine Beziehung zu diesen Bereichen darstellen?

Gut, ich schnaufe kurz einmal durch, bevor ich mich in einem Atemzug vorstelle … Also: Ich bin selbständiger Marketing und Social Media-Consultant, Werbeagenturbesitzer, Webdesigner, Twitter-Livereporter, Coach, Tourismusfachmann, Medien- und PR-Experte, Keynote Speaker, Grafiker, Reiseblogger, Journalist… Anders formuliert: In der Kommunikationsbranche bin ich seit über 20 Jahren, ich war 12 Jahre Chefredakteur zweier Tourismus-Fachmedien in Österreich, 2 Jahre Marketingleiter eines Reiseveranstalters und bin nun schon seit 2007 selbständig.

Was hat das mit dem Reisebloggen zu tun? 2009 begann ich mit dem Twittern – und war als langjähriger Journalist sofort begeistert von zwei Aspekten, mit denen Twitter die Medienlandschaft verändern sollte: Echtzeit-Content und Multimedia. Noch im selben Jahr begann ich mit Echtzeit-Reportagen, die über Twitter Widgets live auf jeder beliebigen Website eingebettet werden konnten. Als einer der ersten Keepstream- und Storify-User experimentierte ich auch mit digitalem Storytelling sowie verschiedenen Foto-, Video- und Podcast-Plattformen. So sammelte ich Erfahrungen, wie diese getwitterten Impressionen am besten in abwechslungsreiche multimediale Geschichten verwandelt werden können.

Mittlerweile, 4 Jahre später, werde ich als Live-Reporter für Konferenzen, Messen, Events und Reisereportagen gebucht, war auf vier Kontinenten im Einsatz, teile auf internationalen Kongressen meine Erfahrungen zum digitalen Storytelling – und habe mit @TravelLiveCC auch ein Twitter-Format für Echtzeit-Reisereportagen entwickelt.

 

Welche 3 Begriffe charakterisieren dein Blog TravelLive.cc deiner Meinung nach am besten?

Es sind drei Begriffe, die in Summe eines garantieren – unmittelbare Erlebnisse:

  • Multimedia: Ich erzähle Geschichten in Tweets; poste Fotos von dem, was ich um mich sehe; drehe Videos und Vines, die einen lebendigen Eindruck des Geschehens vermitteln; publiziere Interviews mit meiner Podcast-App; erstelle Slideshows on the go – und all das

  • Mobil: Das einzige Hilfsmittel, mit dem meine Reisereportagen entstehen, ist mein iPhone. Alle Bilder werden mobil bearbeitet und sofort publiziert, auch Videos werden maximal mobil geschnitten oder mit Apps wie Telly oder Qwiki bearbeitet.

  • Echtzeit: Über das Twitter-Widget können die Reisereportagen in Echtzeit auf meinem Blog www.TravelLive.cc, aber auch auf den Websites von #TravelLive-Medienpartnern in Österreich und Deutschland miterlebt werden.

 

Siehst du deine Reiseberichte auf TravelLive.cc eher als Reiseblog oder eher als Marketing an?

TravelLive.cc ist sicher kein Reiseblog im klassischen Sinn: Während diese vom Content auf der eigenen Website leben, steht bei einer #TravelLive Reportage die Webpräsenz auf den Seiten des Auftraggebers und der Medienpartner im Mittelpunkt. Darum ist mein strategisches Zentrum auch nicht der Blog auf TravelLive.cc, sondern der Twitter-Feed von @TravelLiveCC, der über Widgets auf anderen Websites eingebettet wird. Hier gibt es also schon einmal eine erste große Abgrenzung zum konventionellen Bloggen.

Andererseits handelt es sich bei den Reisereportagen auch nicht um konventionelles „Marketing“ mit allen Assoziationen, die deine Fragestellung impliziert. Ich werde gebucht, um das Angebot einer Destination oder eines Reiseveranstalters zu erleben und darüber zu berichten. Ich produziere Reise-Content mit einem besonderen Fokus auf Echtzeit- und Multimedia-Impressionen, der sowohl auf der Website des Auftraggebers wie auch in meinem Reisemedien-Netzwerk sichtbar ist. Aber: Es geht nicht darum, ein touristisches Produkt möglichst vorteilhaft darzustellen. Ausgangspunkt ist vielmehr mein unmittelbares Erleben der Destination – was sich auch in den sehr persönlich gehaltenen Postings widerspiegelt. Wenn diese Begegnung mit einer Destination Lust auf mehr macht, rentiert es sich auch für den Auftraggeber.

 

Könnte jede touristische Organisation dich für eine Live-Reportage buchen, also beispielsweise auch eine Kleinstadt, oder gibt es hierfür gewisse Rahmenbedingungen wie die Größe der Destination? Und hast du überhaupt noch Zeit für weitere Projekte oder bist du schon komplett ausgebucht?

Von der Größe her gibt es absolut keine Einschränkungen. Ob sich nun eine Destination, ein Reiseveranstalter oder ein Hotel für eine #TravelLive-Reportage interessiert – entscheidend ist die Qualität des Erlebnisses. Davon hängt es auch ab, wie viele Partner-Websites die Reportage übernehmen. Ich werde z.B. im Juli im Burgund mit dem Esel und dem Drahtesel unterwegs sein – ein echtes „Slow Travel“-Erlebnis, das sich in ganz anderen Impressionen niederschlagen wird als etwa meine Reportage aus Kambodscha und Thailand. Aber auch diese Art des Unterwegsseins wird viel Material für schöne Texte, Bilder, Videos und Audio-Impressionen liefern. Ein anderes Motiv für den Einsatz ist Krisenkommunikation – ich war etwa 2011 in Jordanien und 2012 auf Kreta im Einsatz, um via Twitter zu zeigen, dass es entgegen der Krisen-Schlagzeilen vor Ort keine Probleme für Touristen gibt.

Zeit für weitere Projekte? Das ist allerdings tatsächlich ein Problem – was du schon daran siehst, wie lange ich für die Beantwortung deiner Fragen brauchte… Die Reisereportagen sind ja nur ein Teil meines Spektrums: Ich bin mit meinen Consulting-, Coaching- und Webprojekten intensiv eingedeckt und werde auch immer öfter für Twitter-Reportagen von Events, Konferenzen und Messen gebucht, die über @guenterexel oder den Twitter-Account des Auftraggebers abgewickelt werden. Erst kürzlich war ich für die Deutsche Zentrale für Tourismus als Live-Twitterer beim World Travel Market Latin America in São Paulo (www.j.mp/wtmlat2013) und beim Germany Travel Mart in Stuttgart (www.germany.travel/gtmlive) im Einsatz. Diese Reportagen, bei denen ich als Gast-Twitterer auf @gntb2013 postete, zeigen sehr schön, dass Echtzeitreports dank Storify auch langfristig lebendig bleiben und so eine attraktive Form zum Bewahren unmittelbarer Erlebnisse sind.

Daneben bekomme ich auch immer wieder „klassische“ Blogger-Einladungen, die ich allerdings aus Zeitgründen meist nicht annehmen kann – da müssen Termin und Thema wirklich schon sehr passen. Eine vollständige #TravelLive Reportage ist schließlich mit viel Aufwand verbunden: dem Branding, den Vorbereitungsarbeiten, dem Akquirieren der Medienpartner, der begleitenden Berichterstattung via Online-PR etc. Den Echtzeit- und Storify-Report für die eigene Website stelle ich dem Auftraggeber auch bei reinen Bloggerreisen zur Verfügung; aber die zusätzliche Distribution kann ich nur bei bezahlten Einsätzen anbieten.

 

Die Beiträge auf TravelLive.cc entstehen aus konkreten Aufträgen von Destinationen heraus. Wäre ein privates Reiseblog auch ein Thema für dich?

Die Aufträge kommen nicht nur von Destinationen, sondern auch von Hotelketten oder Reiseveranstaltern, wie im Fall meiner zehntägigen Kambodscha- und Thailand-Reportage. Entscheidend ist, dass der Auftraggeber eine Storify-Geschichte als Content für seine Website bekommt und die Live-Impressionen via Twitter Widget zudem auf vielen anderen Seiten mitzuerleben sind.

In einem sehr beschränkten Maß ist TravelLive.cc auch ein privater Reiseblog: Neben den beauftragten „Reisereportagen“ gibt es auch einen Menüpunkt für „Eventreportagen“, wo ich ab und zu auch Tweets von Reisemessen oder Impressionen am Rande meiner beruflichen Reisen kuratiere. So war ich etwa nach einer Tagung noch in Pamplona oder nach dem WTM noch in São Paulo unterwegs. Für mich ist das Twittern zu einer Form des intensiveren Reise-Erlebens geworden; bei diesen Gelegenheiten kann ich auch technisch einiges Neues ausprobieren. Aber, wie gesagt: Als privaten Blog möchte ich TravelLive.cc gar nicht forcieren, weil das eine viel intensivere Content-Arbeit und Vermarktung verlangen würde.

 

Kommen wir zum Thema Finanzen. Du erhältst für das Reisebloggen (bzw. das Live-Bloggen) Einnahmen. Ein Traum vieler Reiseblogger. Wie stehst du zum Thema Kommerzialisierung von Reiseblogs? Und welche – umsetzbaren – Möglichkeiten siehst du hier für Reiseblogger?

Gerade im deutschsprachigen Raum konstituiert sich die Reiseblogger-Szene erst allmählich – und damit ein vertieftes Selbstverständnis für die unterschiedlichen Ansätze der Reiseblogger. Manche betreiben ihren Blog als Hobby und freuen sich schon, wenn sie Einladungen oder Recherche-Unterstützungen erhalten. Für andere wird das Bloggen immer mehr zum Lebensunterhalt – und damit die Monetarisierung der eigenen Leistungen zur Überlebensfrage. Insofern ist die Kommerzialisierung von Reiseblogs eine Entwicklung, die von der zunehmenden Professionalisierung nicht zu trennen ist.

Wie man mit Bloggen Geld verdienen kann, ist allerdings eine strategische Frage, denn als Reiseblogger kann ich mich sowohl als Medienplattform wie auch als Dienstleister positionieren:

  • Die einen werden sich bemühen, die Reichweite ihrer Website zu steigern, Traffic auf ihre Seite zu bringen, sich über Social Media zu vernetzen, ein Auge auf SEO zu haben, ihren Blog zu vermarkten, Anzeigen oder Advertorials zu generieren. Die Reichweite des eigenen Reiseblogs wird zum Erfolgsfaktor werden – und die Qualität der eigenen Beiträge zur entscheidende Voraussetzung zum Aufbau dieser Reichweite. Als Blogger attraktiv werden sie, weil sie Multiplikatoren sind – vor, während und nach der Reise.

  • Die andere, bislang noch nicht so im Bewusstsein von Bloggern wie Touristikern verankerte Option ist der Auftritt als Dienstleister. Ich schätze das Potenzial von Reisebloggern als Marken-Botschafter sehr hoch ein – das beginnt beim Erstellen von Corporate Content und reicht bis hin zur strategischen Beratung und Kampagnen-Entwicklung. Sowohl beim WTM in São Paulo wie auch beim GTM in Stuttgart waren Blogger Panels ein wichtiger Programmbestandteil; Kampagnen wie #LoveCapeTown und #HotSpotGER wären ohne den Input von Reisebloggern niemals entstanden. Bedarf an kreativen Ideen besteht überall im Tourismus – und hier werden all jene Blogger große Chancen vorfinden, die neben Skills zu Text, Technik, Multimedia und Social Media auch Marketing Know-how einbringen können.

 

Welchen Tipp möchtest du anderen Reisebloggern gerne mit auf den Weg geben?

Mhm … am ehesten die folgenden drei Ratschläge:

  1. Wer sich wirklich auf das Reisebloggen einlassen und damit auch Geld verdienen will, sollte sich Gedanken über seine eigenen Stärken machen. Es wird schon bald noch wichtiger werden, sich zu differenzieren und einen USP für seinen Blog zu finden. Ich sehe nämlich die Gefahr eines kurzfristigen Hypes sowohl auf Seiten von Reisenden, die spontan beschließen, jetzt auch zu bloggen, wie auch auf Seiten des Tourismus, der plötzlich von allen Seiten gesagt bekommt, dass es ohne die Einladung von Bloggern nicht mehr geht. Da ist die Gefahr, dass es zu enttäuschten Erwartungen kommt, sehr hoch. Darum mein Rat an alle Reiseblogger: Schärft euer Profil, setzt Schwerpunkte in der Berichterstattung und kommuniziert diese auch über soziale Medien. Es gibt ein paar Kriterien, die bei allen Blog-Kooperationen über den Erfolg entscheiden – wobei es nicht nur auf die Reichweite eines Blogs ankommt, sondern auch auf die Qualität der Berichterstattung und die Affinität des Bloggers zu einem bestimmten Thema.

  2. Damit verbunden ist auch der zweite Rat an alle, die mit dem Bloggen Geld verdienen wollen: Kleistert eure Blogs nicht mit Bannern und Adwords-Anzeigen voll, sondern setzt auf Qualität und Kompetenz! Profiliert euch als Problemlöser in Kommunikationsangelegenheiten! Lernt die Herausforderungen und Probleme von Destinationen, Veranstaltern und Hotels kennen und findet neue, kreative Antworten darauf! Damit seid ihr fähig, künftigen Auftraggebern einen Mehrwert zu bieten, der über die reine Reichweite einer Website hinausgeht.

  3. Mein dritter Appell: Verlasst euch nicht auf den Blog, sondern bleibt technisch am Laufenden – besonders im Bereich der Online-Publikation! Hier ändert sich laufend so viel, dass Ihr einen echten Wettbewerbsvorteil habt, wenn ihr Innovationen bei Apps, Tools und Tricks als erste ausprobiert.

 

Und noch eine letzte, von obigem eher losgelöste, Frage: Auf reiseblogger.at präsentieren sich verschiedenste Reiseblogger Österreichs. Geht es hier „nur“ um die gemeinsame Vermarktung über diese Website oder unternehmt ihr auch gemeinsame Reisen bzw. geht gemeinsam auf Touristiker zu?

Vernetzung ist generell ein wichtiges Thema – da muss ich mich selbst auch an der Nase nehmen, weil ich wegen der vielen Projekte noch zu wenig dafür getan habe … Bei reiseblogger.at ist die Vernetzung jedenfalls noch nicht so weit gediehen wie auf der neuen Plattform reiseblogs.org. Von Franz Roitner eingerichtet, ist es bisher eine reine Content-Seite mit Links zu österreichischen Reisebloggern; von einer gemeinsamen Vermarktung sind wir aber noch weit entfernt. Es wird aber sicherlich hier noch mehr passieren – eine erste gemeinsame Bloggerreise fand im letzten Herbst statt, weitere folgen hoffentlich bald.

 

Ganz herzlichen Dank, Günter, für deine umfangreichen Einblicke!

 

Mehr zu Günter & TravelLive.cc

 

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Ich unterstütze touristische Unternehmen bei ihrer Strategie, v.a. in Bezug auf Stakeholder-Management, Zielgruppen und Produkt-Entwicklung. Auf diesem Blog schreibe ich darüber sowie über meine Herzensthemen Barcamps und das Bloggen an sich. Mehr gibt es bei „Über mich“. Du kannst mich übrigens auch buchen. Ich bin Beraterin und Netzwerkpartnerin bei Tourismuszukunft. Infos sowie Kontaktdaten: Kontakt.

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Vielen Dank für diesen Beitrag, Kristine! Dein Format der Blogger-Interviews ist ein enorm wichtiger Beitrag zum wachsenden Selbstverständnis der deutschsprachigen Reiseblogger-Szene. Umso mehr freue ich mich, hier dabei sein zu dürfen!

  2. Lieber Günter, ich schätze deine Meinung – und damit dieses Kompliment – enorm! Deshalb an dieser Stelle herzlichen Dank, sowohl für das Interview, als auch diesen Kommentar.

  3. Hallo Herr Exel, vielen Dank für das sehr aufschlussreiche Interview. Schade, dass sie das bloggen in diesem Bereich und somit zum Thema Marketing aufgeben. Viele Grüße

  4. Pingback: Einsatz 6-Sekunden-Video-App Vine im Tourismus | Kristine Honig

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