Storytelling im Tourismus: wie werden gute Geschichten erzählt?

Bloggen: Storytelling im Tourismus

Caroline vom Blog Reichweite-Beratung.de hat zur Blogparade zum Thema Storytelling aufgerufen. Der Tourismussektor ist natürlich absolut prädestiniert für dieses Thema. Und so schließe ich mich gerne dieser Parade an.

Doch was ist eigentlich Storytelling? Storytelling = Geschichten erzählen. So einfach also. So einfach? Naja, nicht ganz. Denn was macht eine gute Geschichte aus? Welche Geschichten erzählen wir tatsächlich weiter? Welche bleiben im Kopf hängen und warum? Darum geht es hier und heute.


Am vergangenen Wochenende war ich zu einer Pressereise in der Region „Herz von Europa“ unterwegs. Das Thema Storytelling hatte ich dabei mit im Hinterkopf. Und so betrachtete ich automatisch die verschiedenen Präsentationen und Führungen unter diesem Aspekt. Ich habe euch hierzu zwei interessante Beispiele mitgebracht.

 

Echte Kumpel im Besucherbergwerk Hückelhoven

Zum Hintergrund: Früher wurde in Hückelhoven Steinkohle abgebaut, allerdings war 1997 dann im wahrsten Sinn des Wortes Schicht im Schacht. Danach entstand hier ein Museum – das Besucherbergwerk Hückelhoven.

So könnte dieses Museum heute aussehen: graue Wände, kilometerlang bepflastert mit Texten und unscharfen Fotos. Soviel Input, dass man sich schon beim Reinkommen völlig erschlagen fühlt und wieder raus möchte.

So sieht es jedoch tatsächlich aus: Im Besucherbergwerk Hückelhoven arbeiten ehemalige Bergmänner als Guides. Und sie erzählen enthusiastisch von ihrem Leben unter Tage. Der Schacht an sich ist heute komplett geflutet. Dennoch erhält der Besucher einen unverfälschten Eindruck: Überirdisch wurde nämlich der Schacht eins zu eins nachgebaut.

Soweit so gut. Noch besser allerdings: In diesem nachgebauten Schacht befinden sich jede Menge Maschinen. Und diese funktionieren sogar noch.

Kurz: als Besucher bekommt man die Personen, die Ausmaße, die Geräusche und die Bewegungen von unter Tage präsentiert – besser kann man dies nicht darstellen.

Hier ein Video – zwar mit niederländischem Kommentar, aber es geht ja vor allem um die Bilder (und Geräusche) – , welches zeigt, wie das Ganze umgesetzt wurde.

 

Die Sixties sind los

Zum Hintergrund: Das Freilichtmuseum Bokrijk in Genk ist auf den ersten Blick wie all die vielen Freilichtmuseen, die man so kennt: alte Häuser wurden ab- und originalgetreu wieder aufgebaut. Neu und überraschend anders ist bei Bokrijk hingegen der Museumsbereich zu den Sixties.

So könnte es dort aussehen: Ein Raum mit unzähligen Fotos aus den 60er Jahren. Dazu großformatige, eng beschriebene Infotafeln. Das Ganze natürlich beschallt von Musik.

So sieht es jedoch tatsächlich aus: Zuerst einmal sind im Sixties-Bereich Häuser mitsamt originalem Mobiliar nachgebaut, ob Kneipe oder Kino, Jugendzimmer oder Küche, das Haus eines Architekten oder ein Friseursalon. Alleine dieser Rahmen ist schon sehr beeindruckend.

Es geht aber noch weiter: Jeder Besucher erhält einen „Pass“ von einer belgischen Person in seiner Sprache ausgehändigt. Ich war beispielsweise ein Busfahrer aus Genk. Die verschiedenen Themen der Sixties werden nun über interaktive Displays bezogen auf diese Person dargestellt. Im Haus des Architekten klingt das dann wie folgt: Der Busfahrer denkt darüber nach, dass immer mehr Straßenbahnen abgeschafft werden. Der Fünfzehnjährige erinnert sich hingegen daran, dass er beim ersten Bad in einer Badewanne Angst vorm Ertrinken hatte.

 

Was macht diese Beispiele so besonders?

Was genau haben die beiden obigen Beispiele, was andere Museen oder Attraktionen oft nicht haben?

  • Persönlich: ein Bergmann, der tatsächlich 40 Jahre unter Tage gearbeitet hat, kann anders davon berichten, als ein Student, der sich mal eben in das Thema eingelesen hat. Stichwort Enthusiasmus und Emotionalität.
  • Vorstellbar: durch den Nachbau kompletter Lebenswelten wird mehr kommuniziert, als über tausende Seiten Text. Der Besucher taucht förmlich in die dargestellten Bereiche ein.
  • Momentaufnahmen: dieser Punkt resultiert zum Teil aus den oberen beiden: statt allgemeiner geschichtlicher Fakten werden Anekdoten und Momentaufnahmen geteilt. Diese bleiben letztlich auch im Kopf der Besucher hängen. Ziel erreicht.

 

Was heißt das fürs Storytelling in z.B. Reiseblogs?

Das, was offline funktioniert, ist auch der Ansatz fürs Online-Storytelling. Echte Storys, die hängen bleiben, verfügen über folgende Zutaten:

  • Persönlich: Eine reine Beschreibung einer Reise oder einer Sehenswürdigkeit – hierfür kann ich einen der Standardreiseführer kaufen. Was die Berichte auf Reiseblogs ausmacht, ist die Individualität. Deine persönlichen Eindrücke und Meinungen – egal ob textlich oder fotografisch umgesetzt, ob über Video oder Geräusche. Zeig, was du denkst und vor allem fühlst!
  • Vorstellbar: Entstehen bei dir Bilder im Kopf, wenn du einen Ort als idyllisch, paradiesisch oder pittoresk beschrieben bekommt? Von solchen Marketingbegriffen bleiben letztlich nur Worthülsen übrig. Aber wie riecht denn nun eigentlich die Toskana? Wie schmecken Blumen? Wie unterscheidet sich der Sand von diesem Strand von dem 300 Kilometer weiter? Reiseziele vorstellbar machen, heißt, sie nachvollziehbar zu beschreiben. Über Metaphern oder Vergleiche aus dem persönlichen Umfeld des Lesers. Erst dann werden die Inhalte wirklich nachvollzieh- und erlebbar.
  • Momentaufnahmen: Rein mit Zahlen, Daten und Fakten bekomme ich keine Geschichte interessant und damit nachhaltig transportiert. Erzähle ich allerdings Begebenheiten, Anekdoten, so bleiben diese hängen, werden weiter erzählt. Dazu zählen auch Begebenheiten von unterwegs, die nicht unbedingt jeder andere Reisende selbst erneut erleben kann, die aber letztlich doch genau so passieren könn(t)en. Und dabei geht es nicht um stundenlange Berichte. Oft kann schon ein kleiner Dialog oder ein einzelnes Bild genügen und alles ist gesagt. Einfach alles weglassen, was nicht relevant ist.
  • Letztlich ist es jedoch nicht nur die Art und Weise, wie etwas erzählt wird. Es geht auch darum, was erzählt wird. Der Inhalt muss interessant sein. Aber mal ganz ehrlich: wird nicht fast jeder Inhalt interessant, wenn er nur richtig gut verpackt ist? Erinnert euch nur mal an die fliegende Plastiktüte im Film „American Beauty“…

 

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Ich unterstütze touristische Unternehmen bei ihrer Strategie, v.a. in Bezug auf Stakeholder-Management, Zielgruppen und Produkt-Entwicklung. Auf diesem Blog schreibe ich darüber sowie über meine Herzensthemen Barcamps und das Bloggen an sich. Mehr gibt es bei „Über mich“. Du kannst mich übrigens auch buchen. Ich bin Beraterin und Netzwerkpartnerin bei Tourismuszukunft. Infos sowie Kontaktdaten: Kontakt.

10 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. das kann ich nur unterschreiben. ich versuche bei meinen pressereisen meine artikel auch immer recht persönlich zu halten und bekomm dafür durchwegs positives feedback. es interessiert einfach mehr. und der humor darf auch nicht fehlen.
    allerdings setze ich beim blog eher auf bilder und halte den text kürzer. wahrscheinlich weil ich beruflich schon soviel mit text arbeite ;)

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  5. Klasse Artikel! Habe ich gleich mal meiner Freundin weitergeleitet, die gerade Storytelling studiert und ebenfalls eine umfassende touristische Ausbildung genoss. LG Claudi

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  9. Ich schliesse mich Deinen Punkten an. Von einem Storytelling-Berater habe ich auch noch mitgenommen, dass in der Szene irgendetwas ÄNDERN muss, damit ein Spannungsbogen und letztlich eine Story entstehen kann.

    Und in einem Storytelling-Kurs wurde betont, wie man die Komponenten Handlung, Details und Emotionen abwechslungsweise einsetzen soll.

    Unsere eigene Technik für die Entwicklung von Geschichten habe ich auf unserem Reiseblog dokumentiert https://reisememo.ch/storytelling-tipps-reiseblogger

    Das Erzählen von Geschichten gelingt uns mit der Übung zwar immer öfter, aber a) nicht immer und b) ist manchmal das Storytelling-Format gar nicht das geeignete: Nur weil man sich mit Storytelling befasst, braucht man nicht alles in eine Geschichte zu packen…

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