Blogger im Ausland: Oliver in Peking

Blogger Relations: Blogger im Ausland: Oliver in Peking

Meine Reise um die Welt mit Bloggern, die im Ausland leben, geht heute (vorerst?) zu Ende. Nicht, ohne euch zum Schluss noch ein paar ganz besondere Eindrücke zu liefern – von einem Schweizer, der aktuell in China lebt.

Oliver stand mir dieses Mal zum Interview zur Verfügung und berichtet über das Leben im Land der Großen Mauer sowie das Internet-Leben mit der „Great Firewall“.  Und natürlich berichtet er auch über sein Blog, welches mit einem gut besuchten Forum kombiniert ist. Viel Spaß schon mal!

Oliver vor den Lehmgebäuden der Hakka-Minderheit in der südostchinesischen Provinz Fujian, seit wenigen Jahren UNESCO-Weltkulturerbe

Oliver vor den Lehmgebäuden der Hakka-Minderheit in der südostchinesischen Provinz Fujian, seit wenigen Jahren UNESCO-Weltkulturerb

Hallo Oliver, prinzipielle Frage: wie und warum verschlägt es einen Schweizer nach China?

Während meines Studiums bin ich viel in Asien gereist, und China hat mich besonders fasziniert. Es ist ein Land im Umschwung, ein Land mit einer unglaublichen Dynamik. Nachdem ich ein paar Jahre in der Schweiz als Journalist gearbeitet hatte, zog es mich wieder in den Osten: Ich wollte mir eine Auszeit von einem halben Jahr gönnen, um Chinesisch zu lernen. Doch ehe ich mich versah, fand ich in einem Pekinger Fremdsprachenverlag eine Stelle als Redaktor. Das war für mich eine grandiose Chance, China und die oft beschimpfte chinesische Medienwelt von innen kennenzulernen. Nach rund fünf Jahren in China ist nun aber die Zeit gekommen, um weiterzuziehen.

 

Wie unterscheidet sich das Leben in China generell von einem Leben in der Schweiz?

Den wohl stärksten Einfluss auf meine Lebensumstände hat das unglaublich hohe Wohlstandsgefälle. An allen Ecken werden Dienstleistungen angeboten, die ich mir in der Schweiz nicht leisten könnte. Es ist mir ein bisschen peinlich, aber in den fünf Jahren habe ich kein einziges Hemd selber gebügelt. In Restaurants zu essen, ist so billig, dass ich meine Bratpfanne vor einem halben Jahr weggeworfen habe. Ich brauchte sie nie.

 

Hat sich deine Meinung über China durch den jahrelangen Blick von innen geändert? Und falls ja, wie?

Ein Weiser sagte einmal sinngemäß: Bist du einen Tag lang an einem Ort, kannst du sein Wesen mit einem Satz beschreiben. Bleibst du aber ein Jahr, reicht ein Roman nicht mehr. Wenn man lange in der Ferne lebt, beginnt man zwangsläufig zu differenzieren und seine mitgebrauchten Vorurteile zu hinterfragen. Berufsbedingt erlebte ich das im Medienbereich am stärksten. Bei vielem, was ich früher für Propaganda hielt, erkannte ich nach und nach, dass auch ganz andere Faktoren mitspielen: Ein übertriebener Nationalstolz, schlecht ausgebildete und wenig motivierte Journalisten, eine gewaltige Korruption im Medienwesen und eine kulturelle Abneigung gegenüber offener Kritik. Damit will ich aber natürlich die bestehende Zensur und die mangelnde Pressefreiheit nicht in Schutz nehmen.

Oliver in Tongren, eine tibetisch geprägte Kleinstadt in Südwestchina

Oliver in Tongren, einer tibetisch geprägten Kleinstadt in Südwestchina

Und wie sieht das mit dem Internet aus? Wie „world wide“ ist das Web tatsächlich für dich? Und wie ist das: darfst du überhaupt in und über China bloggen?

Für mich als ausländischen Blogger sind die Probleme eher praktischer als rechtlicher Natur. Viele Seiten wie Facebook oder Twitter, die fürs Marketing wichtig sind, sind gesperrt. Mit VPN-Anbietern wie beispielsweise Suissl, das mir ein früherer Klassenkamerad kostenlos zur Verfügung gestellt hat, lässt sich diese „Great Firewall“ natürlich umgehen. Aber das verlangsamt die ohnehin schlechten Verbindungen noch mehr.

Rechtlich bewege ich mich in einer Grauzone, da mein Server nicht in China steht und ich deswegen nicht der Lizensierungspflicht unterstehe. Das heißt, ich habe im schlimmsten Fall mit einer Sperrung zu rechnen. Aber hier muss man realistisch bleiben: China hat zwar geschätzte 30.000 Internetzensoren, aber die interessieren sich vor allem für Seiten in Chinesisch und Englisch. Was in einem kleinen Reiseblog steht, interessiert die nicht.

 

Deine wichtigste Empfehlung für Reisende, die für einen kurzen oder auch längeren Aufenthalt nach China kommen möchten?

Geht aufs Land! Gerade Besucher, die zum ersten Mal nach China kommen, reisen von Stadt zu Stadt und sind dann enttäuscht, dass das Land so verwestlicht und so materialistisch ist. Meiner Meinung nach liegt das wahre China auf dem Land, in den Dörfern. Hier kann man eine grandiose Gastfreundschaft und eine ungespielte Neugierde an Ausländern erleben. In Südchina gibt es bei den ethnischen Minderheiten wunderbare, zwischen Reisterrassen gelegene Ortschaften mit lauter traditionellen Holzhäusern.

 

Oliver vor den grünblauen Seen von Jiuzhaigou in Südwestchina

Oliver vor den grünblauen Seen von Jiuzhaigou in Südwestchina

Kommen wir zu deinem Blog weltreiseforum.com. Du bloggst dort gemeinsam mit anderen Bloggern über verschiedenste Destinationen, wobei dein Schwerpunkt aktuell natürlich auf China liegt. Wann bist du mit weltreiseforum.com gestartet und wieso gemeinsam mit anderen Bloggern? Wie viele Blogger sind aktuell auf diesem Blog tätig?

Den Forenbereich gibt es seit fast zehn Jahren. Das Reisemagazin ist jedoch erst ein paar Monate alt. So spannend es auch ist, ein Diskussionsforum zu betreiben, gibt mir der Blog schlicht mehr gestalterische und redaktionelle Möglichkeiten. Da mir eine Vielfalt an Themen und Meinung wichtig ist, war von Anfang klar, dass ich nicht alleine schreiben will. Momentan sind wir drei bis vier Autoren, die regelmäßig publizieren. Ich würde aber gerne mit mehr Leuten zusammenarbeiten. Wenn also ein Leser mit dem Gedanken spielt, einen eigenen Blog zu erstellen, kann er sich auch überlegen, ob er nicht lieber bei uns mitmachen will. Was diese Zusammenarbeit bringt? Im Internet gibt es sowas wie einem Klumpen-Effekt. Ich glaube, eine Autorengemeinschaft ist sehr viel leichter in der Lage, die kritische Masse zu erreichen, um sowohl für Leser und Werbekunden attraktiv zu sein. Dies wiederum bietet auch den Autoren Vorteile.

 

Den Aufruf gebe ich hier doch gerne weiter. Bei Interesse am besten direkt online melden. Gut hierfür natürlich noch zu wissen: Wo liegen deine bzw. eure inhaltlichen Schwerpunkte auf dem Blog?

Da der Blog noch immer sehr stark von mir geprägt wird, liegt der inhaltliche Schwerpunkt auf Ostasien, wo ich mich selber gut auskenne. Grundsätzlich stehen bei uns Fernziele im Vordergrund und wir wollen vor allem junge Leute ansprechen, die gerne selber reisen.

 

Du erwähntest es bereits: eure Site verfügt auch über ein integriertes Forum mit immerhin 7500 Mitgliedern. Wenn man sich die Anzahl der Beiträge und der Zugriffe anschaut, ist dort einiges los. Wie ist das Verhältnis Blogbeiträge vs. Forum? Also was macht der Großteil eurer Site-Besucher: Beiträge lesen oder aktiv im Forum unterwegs sein?

Da das Forum bedeutend älter ist, gibt es dort natürlich mehr Inhalt und Traffic. Mir fehlt zwar noch die Langzeiterfahrung, aber ich habe den Eindruck, dass die Blogbeiträge sehr viel häufiger von anderen Blogs oder Foren verlinkt werden und deswegen entsprechend besser in den Suchmaschinen gewertet werden. Das heißt, die einzelnen Seiten werden im Blog öfter aufgerufen als im Forum. Außerdem verweilen die Besucher im Blog etwa doppelt so lange wie im Forenbereich und besuchen deutlich häufiger eine zweite Seite. Das zeigt mir, dass es sich auszahlt, Zeit in sorgfältig ausgearbeitete Beiträge zu investieren.

 

Letzte Frage: wie steht es mit Kooperationen mit touristischen Unternehmen – was geht und was nicht?

Derzeit bin ich noch am Experimentieren, was sich auszahlt, ohne unsere Glaubwürdigkeit zu untergraben. Ich hatte mehrmals Anfragen von touristischen Unternehmen, die mich für einen Blogbeitrag bezahlen wollten und darauf bestanden, dass die Werbung wie ein redaktioneller Inhalt aussieht. Das geht natürlich nicht. Denn würden wir anfangen, Schleichwerbung zu akzeptieren, ginge alles kaputt, was ich nun mühsam versuche aufzubauen.

 

Einen ganz herzlichen Dank an dich, Oliver, und viele Grüße nach China!

 

Mehr zu Oliver & seinem Weltreiseforum

 

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Ich unterstütze touristische Unternehmen bei ihrer Strategie, v.a. in Bezug auf Stakeholder-Management, Zielgruppen und Produkt-Entwicklung. Auf diesem Blog schreibe ich darüber sowie über meine Herzensthemen Barcamps und das Bloggen an sich. Mehr gibt es bei „Über mich“. Du kannst mich übrigens auch buchen. Ich bin Beraterin und Netzwerkpartnerin bei Tourismuszukunft. Infos sowie Kontaktdaten: Kontakt.

3 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Danke für den tollen Post. China ist für mich nach wie vor ein sehr, sehr faszinierendes Land, daher finde ich „den Blick hinter die Kulissen“ mehr als interessant.
    Leider habe ich auf unserer doch sehr kurzen Reise nur Städte gesehen, ein Grund mehr, China noch einmal zu besuchen.

    Liebe Grüße
    Christina

  2. @Christina Dann nix wie hin. Irgendwo in der Reiseplanung dieses oder nächsten Jahres muss sich doch noch ein Plätzchen finden lassen.
    @Elke Ich kann mir gut vorstellen, dass es noch eine weitere Runde „Blogger im Ausland“ geben wird. Aber zu einem späteren Zeitpunkt. :) Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

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